Jeden zweiten Sonntag besuche ich meine Oma. Sie ist lieb und nett, lebt in einigen Dingen aber noch in der Vergangenheit. Letztes Mal saß sie auf ihrer Couch und stellte demonstrativ ihr Festnetztelefon neben mein Smartphone. Mit entschlossenem Blick murmelte sie „Früher, das waren noch richtige Telefone!“ Ich überlegte kurz – dann wusste ich, wie ich sie vom Gegenteil überzeugen würde.
“Oma”, sagte ich, “in zwei Wochen zeige ich dir, dass sich die Welt gar nicht so sehr ändert, wie du vielleicht denkst.”
Diese zwei Wochen war ich mit meinen Vorbereitungen sehr beschäftigt. Die Präsentation sollte Omi umhauen. Vielleicht schaffe ich es ja sogar, sie zur “neuen Welt” zu bekehren. Bereits Samstagabend packte ich aufgeregt alles zusammen. Am nächsten Tag fuhr ich zu ihr. Als sie, wie gewohnt, in die Küche ging, baute ich meine Geräte auf. “Das hier ¬hin… das hier ¬drauf… jetzt nur noch den Stecker da rein”, murmelte ich vor mich hin. Als Oma wieder zurückkam, hatte ich es gerade noch geschafft eine ihrer aprikotfarbenen Papierservietten geheimnisvoll über die Apparatur zu drapieren.
“Und jetzt willst du mir zeigen, dass noch alles so ist wie früher?”, fragte sie süffisant lächelnd. Ich antwortete, “Ja, Oma! Setz dich hin. Ich zeige es dir”.
Als sie den Kuchen verteilt hatte, wollte ich sie nicht länger auf die Folter spannen. Ich hob die Serviette hoch und rief: “¬Tadaaa!” Oma staunte nicht schlecht, “Das ist ja mein Telefon!” “Naja”, entgegnete ich ihr, “Es sieht nur so aus. Ich habe dein Telefon nachgebaut. Aber darin steckt viel mehr. Ruf mich mal zu Hause an!” “Aber warum? Du bist doch hier. Wieso soll ¬ich…” “Mach doch einfach”, fiel ich ihr ins Wort.
Etwas stutzig nahm sie ihr Telefon in die Hand, wählte meine Nummer und presste die Hörmuschel gespannt an ihr Ohr und wartete. Mir kamen die Sekunden vor, wie eine Ewigkeit.
Dann erschall plötzlich ein lautes Klingeln und es rumpelte in meinem Telefonnachbau. Innerlich zählte ich bis 3, hob den Hörer ab und begann mit meiner Oma zu sprechen. “Wie ist das möglich?”, fragte sie verblüfft.
Ohne ein weiteres Wort hob ich die Attrappe hoch. Darunter lag mein Handy. Der Hörer ist ganz moderne Technik in altem Gehäuse. Ein Headset, was aussieht wie ein alter Telefonhörer. Mein Handy hatte ich so eingestellt, dass es Anrufe nach 3 Sekunden automatisch entgegen nimmt. Damit war die Illusion perfekt.
Meine Oma ist jetzt überzeugt. Die Welt ändert sich zwar, aber nicht alles ist neu. Und wenn man möchte, kann man auch an Altem festhalten. Nur mit neuem Kern.
Autor: Benjamin